Seit etwa 2010 gibt es einen Einhorn-Hype. Das Einhorn ist ein absolutes In-Tier bzw. Mode-Fabelwesen geworden, was wohl insbesondere den Handel freut bzw. ihm überhaupt zu „verdanken“ ist. Mach‘ ein Produkt, wo ein Einhorn drauf ist und es wird sich verkaufen, inkl. Einhorn-Preisaufschlag. Dazu muss gesagt werden, dass diese Strategie in den letzten Jahren auch auf andere Tiere angewendet wurde. Jede Saison ein neues In-Tier, das hält den Konsum am Leben. Faultiere können es von der Dauer ihrer Beliebtheit beinahe schon mit den Einhörnern aufnehmen; wie es sich mit den Flamingos und Lamas verhält, bleibt abzuwarten.
Das Einhorn muss natürlich gewissen Kriterien entsprechen, um verkäuflich zu sein. Und so hat das Fabeltier eine große Transformation durchgemacht. Vom geheimnisvollen, eleganten, beinahe unberührbaren Wesen, gleichermaßen stark wie zart, kaum je gesehen, zu einem knuffigen Kuscheltier mit Glubschaugen. Das moderne Einhorn ist flauschig, etwas patschert und mollig, hat ein weißes Fell, rosa Hufe, regenbogenfarbene Mähne und Schwanz, das Horn ist weiß, rosa oder gold. Das Einhorn braucht Glitzer um sich und ist alles andere als unberührbar – es liebt alle, kuschelt gerne und hat herzig-lustige Sprüche auf Lager. Im Handel gibt es Einhorn-Patschen, -Häferln und -Haarreifen, Einhorn-Kostüme für Erwachsene, Kinder und Hunde. Es gibt Einhorn-Duschgel, Einhorn-Zahnpasta, Einhorn-Klopapier und Einhorn-WC-Steine. Kriterien für die Einhorn-Tauglichkeit sind lediglich, dass das Produkt regenbogenfarben oder rosa und/oder glitzernd sein muss. So wird rosa Fruchtsaft als „Einhorn-Kotze“ verkauft, buntgefärbte Frühstückszerealien als „Unicorn Frootloops“ und violett gefärbte Kekse als „Einhornkacke“.
Was für ein Start in den Tag: mit Einhorn-Kacke und Einhorn-Kotze, und dann noch ein Kaffee aus dem Einhorn-Häferl mit einem schönen Einhorn-Spruch drauf: „Ich bin die Königin Einhörner: Mein Pipi ist pink, ich pupse Schmetterlinge und rülpse Sternenstaub“ – oooooh, wie süüüüüß!
Tomas Hokes Einhorn stammt eindeutig aus einer anderen Einhorn-Epoche. In seiner riesenhaften Größe und Stämmigkeit entspricht es allerdings auch nicht so ganz den jahrtausendealten Einhorn-Fabeln. Es ist ein eigenständiges Einhorn, ein Hoke-Einhorn. Hokes Einhorn ist nicht versteckt und verborgen, es ist eindeutig sichtbar. Es steht auf Stahlbeinen und hat ein riesiges bedrohlich-spitzes Horn am Kopf, mit dem es Richtung Eberndorf weist, dessen Wappen es entsprungen ist. Die einzige Gemeinsamkeit, die Hokes Einhorn mit den heutigen Mode-Einhörnern hat, ist ein gewisser Glitzer: Rumpf, Kopf und Horn aus glimmer-beschichtetem Stahl schimmern im Sonnenlicht. Hokes Einhorn ist jedoch nicht kuschelig und anschmiegsam, es ist kalt und hart. Es galoppiert nicht verträumt und herzig durch den Regenbogen-Himmel, es ist eine Wegmarke, standhaft und unverrückbar. Es wirkt so dauerhaft wie seine Legende. Am Aufstellungsort lange umstritten, ragt es nun seit fast 20 Jahren am Verteilerkreis vor Eberndorf über 6 Meter hoch in den Himmel, nickt seinen Befürwortern wie Gegnern zu. Den einen eine Trophäe der Kunst (und ihrer Durchsetzer)? Den anderen ein(-)Horn im Auge? Bleibt nur noch die Frage, warum Eberndorf im Wappen eigentlich ein Einhorn und nicht einen Eber hat? Vielleicht hält sich der ja noch im Bauch des Trojanischen Einhorns versteckt ...
mehr erfahren >
Clara Kaufmann:
Einhorn 2018: In
KosmosE, Monografie Tomas Hoke, Ritterverlag 2029, S. 306
weniger anzeigen >