Tomas Hoke (*1958, Wien) studiert von 1978–81 an der Hochschule für Angewandte Kunst in Wien, danach ist er freischaffend tätig. Heute lebt und arbeitet der Künstler in Wien und auf Schloss Saager in Kärnten und unterhält seit 1997 ein Atelier auf dem Industriegelände der Berndorf AG in Niederösterreich.
Tomas Hoke hat in den vergangenen 45 Jahren ein umfangreiches Œuvre geschaffen, das sich auf die Bereiche Schmuck, Grafik, Fotografie und insbesondere Skulptur, Installation sowie Kunst im öffentlichen Raum bezieht. Darüber hinaus ist der Künstler auch selbst als Kurator tätig und im Kunstbetrieb engagiert.
Grafik und Plastik – in einem weiten, modernen Materialspektrum – entwickeln sich parallel. Beide beruhen auf der Auseinandersetzung mit dem menschlichen Körper, seinen Verhältnissen, seinen Eigenschaften und Möglichkeiten. Die Reflexion der Physiognomie, die Beschäftigung mit dem menschlichen Mikrokosmos, mit Hirnforschung und Neuroästhetik, bedingen die formale und materielle Erscheinung sowie den Charakter der Werke: assoziative, symbolische Formen, konfrontative, interaktive Objekte, kinetische, pneumatische, akustische Installationen, die als Vehikel der Wahrnehmung die visuellen, taktilen und auditiven Sinne ansprechen.
Monumentale Metall-Skulpturen entstehen im Spannungsfeld der Überschreitung der Körpergrenzen in den Raum, dem Übergang vom Mikro- in den Makrokosmos als Ort der Relationsverschiebungen, aber auch der gesellschaftlichen Wechselwirkungen. Zentrales Arbeitsgebiet ist die Kunst im öffentlichen Raum, die sämtliche Fragestellungen, denen der Künstler sein Schaffen verschrieben hat, zusammenführt: selbstreferentiell-kunstbezogene, politische und soziale, architektonisch-räumliche und bautechnische Überlegungen spielen eine Rolle, und der Mensch, als biologisches und philosophisches Wesen, als Einzelner oder in Interaktion mit anderen, steht zur Bedingung formal-ästhetischer sowie funktioneller, künstlerischer Realisationen.
TOMAS HOKE Kosmose – eine Werkschau von 1978 bis 2018
Von Ulli Sturm (Parnass)
Mit „der Raum, in dem Skulptur heute verhandelt wird, ist ein multidimensionales Gefüge von Ereignis-Clustern“, leitet der Bildhauer Tomas Hoke seinen umfassenden Werkkatalog, zu drei parallelen Ausstellungen in Klagenfurt, ein. Und tatsächlich zeigt diese erste große Retrospektive - mit Werkserien aus vier Jahrzehnten - seinen erstaunlich multidimensionalen künstlerischen Ansatz.
Hoke, der ein Atelier auf Schloss Saager und in Niederösterreich betreibt, ist in Kärnten natürlich kein Unbekannter. Schon 1992 hat er mit der Biennale INTART ein Festival zu nichts Geringerem als zur >RETTUNG DER WELT< gestartet und eine Begegnung mit interdisziplinärer Kunst aus drei Ländern ermöglicht. Seither hat er als Künstler und auch als Kurator viele neue Perspektiven und Visionen zu aktueller Kunst visualisiert. Zu Beginn seiner künstlerischen Tätigkeit waren es hauptsächlich die Grafik und das plastisches Gestalten – damals vorwiegend köperbezogene Schmuckobjekte – mit denen er sich beschäftigt hat. Der 350-Seiten Werkbericht der jetzt vorliegt macht mit mehr als 500 Abbildungen deutlich, dass diese Bereiche auch in den folgenden Jahrzehnten die signifikantesten Bestandteile seines bildnerischen Schaffens rund um die Linie und ihre vielgesichtigen Umsetzungen ins Dreidimensionale waren. Im Museum Moderner Kunst Kärnten und der Rittergallery wird ab Februar ein Querschnitt von Werken von 1978 bis 2018 zu sehen sein, die sein Materialspektrum - von Metall über Gummi bis hin zu Neon - und seine abstrakte technoide Formensprache zeigen. Parallel dazu wird erstmals das grafische Werk in der Alpen-Adria-Galerie präsentiert und auch das zeugt von einer Spannung zwischen unverwechselbarer Ästhetik und durchdachtem Konzept. „Hoke erweist sich auch als Grafiker als Meister einer stupenden handwerklichen Präzision. Es sind kontemplative Bilder, die als ,Kammermusik‘ zum großen, orchestral wirkenden plastischen Werk, das oft schwebend und raumgreifend ist, bezeichnet werden können“, beschreibt Alexander Gerdanovits die Zusammenstellung der grafischen Arbeiten. Der Künstler selbst antwortet auf die Frage einer Rückschau auf 40 Jahre künstlerischer Arbeit mit: „Wie weit die Transformationen von einmal Erkanntem in den verschiedenen Medien ihren Niederschlag findet, oder ob das Entwickeln mehr einer permanenten Metamorphose gleicht, kann ich heute nicht sagen. Ich kann auch nicht sagen, wie sich Gedanken materialisieren indem sie sich auf einem Blatt oder in etwas Anderem niederschlagen; ich kann nur über den Zustand berichten in den ich gerate: Es ist eine Art Versenkung, fast kontemplativ zu nennen und doch hellwach und entscheidungsfähig. Es geht immer ums Ganze, Universelle. Im Mikro- wie im Makrokosmos, von der Bleistiftspitze bis zum raumgreifenden Objekt.“ In Klagenfurt hat man nun in drei verschiedenen Retrospektiven die Möglichkeit sich davon ein Bild zu machen und einzutauchen in die Kosmose von Tomas Hoke. (Ulli Sturm)
Aufbruch in die vierte Dimension
Der Kosmos des Tomas Hoke. Im Museum Moderner Kunst Kärnten kann man sich von der Weite des Denkens mitnehmen lassen.
Von Willi Rainer (Kleine Zeitung 7. Feb. 2019)
60Jahre ist Tomas Hoke alt und er legt mit einer Retrospektive ein beeindruckendes Zeugnis ab von 40 Jahren als freischaffender Künstler. Der Weg in die Kunst, so scheint es, war ihm vorgezeichnet, war er doch in Ateliers und Künstlerwerkstätten hineingeboren, wuchs mit Kunst auf und in sie hinein.
Von seinem umfangreichen Schaffen in den Bereichen Schmuck, Fotografie, Grafik und Malerei präsentiert er im MMKK schwerpunktmäßig skulpturale und installative Arbeiten.
Tomas Hoke, der sein Leben und Arbeiten verteilt auf Schloss Saager, einen Arbeitsplatz in Wien und ein Atelier im Industriegelände der Berndorf AG, zeigt, wie im Laufe der Jahre die Entwicklung neuer Materialien vor allem in der Spitzentechnologie sein Schaffen mitbestimmt und wie, gleichsam Hand in Hand damit, Erkenntnisse der Neurowissenschaften seinen eigenen Zugang zu Welt und Wirklichkeit verändert haben.
Der Ausstellungstitel verweist auf den Gesamtkontext seines künstlerischen Werdegangs in den „Kosmos 4D“. Es ist das Heraustreten in eine vierte Dimension mit unabsehbaren Implikationen.
Deshalb erweiterte Hoke seine Auseinandersetzung mit dem Menschen und seinen Potenzialen um all jene Aspekte, die die Wissenschaft von heute als Herausforderungen bearbeitet. Sein kunstbezogener Zugang ermöglicht ihm eine angenehme Weite des Denkens, von der man sich gerne mitnehmen lässt. Das liegt an einer überaus sinnlichen Aufbereitung der Themenbereiche, die nicht nur das Schauen in die Pflicht nimmt, sondern auch das Hören und körperliche Spüren.
So findet denn auch, was in den Sinnen ankam, als Sinn seinen Weg in die Gedanken. Es beginnt bei einem "Labyrinth", das auf den ersten Blick keines ist, aber nach kurzem Betreten kaum Ausstiegmöglichkeiten mehr bietet, und einem „Narc-Headroom“ benannten, verschlungenen Objekt, das sich in sich selbst spiegelt und verliert. Daneben Lichtinstallationen, die nicht wirklich den Raum be- und ausleuchten, sondern vielmehr ein Erleuchten bewirken wollen. So erscheinen die dünnen Neonröhren wie Linien in einer Zeichnung, die in den Raum drängt. Ein „Kosmisches Klangbad“ lädt zum Spüren und Hören ein. Bunte Lichtfiguren machen das Denken und Fühlen sichtbar. Und der Parcours hat noch viele weitere Stationen, die Aufmerksamkeit verdienen. So etwa in einem kleinen Einschub die Vorstellung von Hoke als Schmuckgestalter.
Tomas Hoke. „Kosmos 4D“. Mit ausgezeichneter Monografie zur Schau. MMKK. Klagenfurt. Di.–So. 10–18 Uhr. Do. 10–20 Uhr. Bis 19. Mai.
Personale
Tomas Hoke im Kärntner Museum Moderner Kunst
Michael Cerha (Der Standard)
18. März 2019,
Dass mit dem Museum Moderner Kunst Kärnten erst jetzt eine kulturelle Großinstitution dem bereits vier Jahrzehnte anhaltenden Schaffen Tomas Hokes eine Personale widmet, ist erstaunlich. Sicher, in seinem grauen Arbeitsoverall kann man Tomas Hoke äußerlich leicht mit dem Hausinstallateur verwechseln. Jede Vermarktungsstrategie ist dem 1958 in Wien geborenen Künstler fern.
Aber einem aufgeweckten Kulturbetrieb hätte die Konzentration, in der hier ästhetische mit wissenschaftlichen Positionen zur Reaktion gebracht werden, eigentlich schon früher auffallen müssen. Dafür ist die Ladung jetzt ziemlich geballt: Das Museum im Herzen Klagenfurts präsentiert in zehn Sälen einen Überblick über das "vierdimensionale" Werk von Hoke, in der Alpen-Adria-Galerie wird das "zweidimensionale" Werk beleuchtet, und in der Rittergallery eine Auswahl der in den letzten Jahren entstandenen, abstrakten Tuschebilder "Sumi-e", quasi gemalte Haikus, gezeigt.
Von den zehn Sälen in der Klagenfurter Burggasse hat man schon neun absolviert, bevor man auf eine Art Ursprung stößt. Da hängt der Johannes mit dem ab geschlagenen Arm, ein Hauptwerk des 2015 verstorbenen Giselbert Hoke, des Vaters von Tomas Hoke. Und es gibt sie wirklich, eine ästhetische Verwandtschaft dieses Johannes mit den daneben platzierten Vier Kriegern des Sohnes.
Gefaltete Stahlplatten gemahnen von der Technik her an ein "Landschaftsbild", dem man in einem der davor liegenden Räume begegnet. Eigentlich eine Struktur, verblüffend einfach, aber über Jahrhunderte der Kunstgeschichte als Grundmuster der Landschaftsdarstellung lesbar: Sechs querlaufende Stahlrinnen, die unteren drei breit, die oberen drei schmal. Genug, dass unsere Vorstellung Himmel und Erde daraus macht. Sie ist überhaupt immer da, unsere Vorstellung, selbst, wo die Halskrausen Hokes, der sich auch als Schmuckdesigner betätigt hat, gelbblau schillernde Verfärbungen infolge extremer Erhitzung aufweisen.
Perspektivenverschiebung
Neben Stahl haben es Hoke Neonröhren und Spiegel angetan. Vervielfältigung und Perspektivenverschiebung hat er anhand von glatten oder gebogenen hochglanzpolierten Edelstahlplatten durchgespielt. Anderes wird durch Annäherung zu Farbveränderungen gebracht. Wie überhaupt der menschliche Körper überall dazugedacht wirkt. Bis in die Darstellung einer Wolke hinein wirken Form und Windung des Gehirns als Vorbild. Und die "neurora", in der sich sprachlich Neuronen und Aurora zu überlagern scheinen, führt mit ihren Lichteffekten in die Unendlichkeit des Kosmos wie in die Winzigkeit der einzelnen elektrisch reizbaren Nervenzelle. (Michael Cerha, 18.3.2019)
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